Vorher war ich am Bärensee joggen. Es war schrecklich vereist und Fußgänger wie Jogger schlitterten herum wie auf einer Eisbahn. Das war aber nicht der Grund, warum viele Jogger ziemlich unglücklich aussahen. Es lag wohl eher daran, dass die einen zu viel Bauch trugen (die Männer) und die anderen ausgesprochen schicke, aber zu dünne Klamotten (die Frauen), vermutlich Weihnachtsgeschenke.
Die ungewöhnlich hohe Zahl der Joggerinnen und Jogger, die an diesem kalten Tag unterwegs waren, lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um zahlreiche Gute-Vorsätze-fürs-neue-Jahr-Läufer handelte, deren Kondition nicht zwangsweise so gut war wie der Vorsatz.
Letzte Woche kaufte ich mir seit Monaten mal wieder die ZEIT, die in ihrem Magazin einen eindeutigen Trend der Menschen zum Rückzug ausmachte, um nicht zu sagen, beklagte. „Die Welt ist mir zu viel. Und ich selbst bin mir genug. Warum viele Menschen sich heute vor allem für Stressabbau und Handarbeit interessieren – statt für die drängenden Fragen der Gegenwart.“ Das Magazin schreibt darüber, dass die Menschen entweder geistig oder ganz praktisch aussteigen. Sie interessieren sich weder für Politik noch für Wirtschaft noch für Konflikte noch für Armut. Sie ziehen von Berlin aufs Land. Sie lesen Magazine wie Flow, My Harmony, Emotion Slow oder Landlust. Sie stricken oder häkeln oder backen, sie gehen nicht wählen, sie sind in keiner Partei, keiner Gewerkschaft, keinem Verband und keinem Verein. Sie konzentrieren sich auf sich selbst, ihre Familie und ihre Freunde.
Das ist verständlich. Unsere Welt ist kompliziert und brutal geworden. Wahrscheinlich war sie das schon immer, aber noch nie haben wir so viel davon mitbekommen. Wenn Terroristen Geiseln enthaupten, können wir uns das kurze Zeit später auf Youtube ansehen. Naturkatastrophen, Massenvergewaltigungen, Hungersnöte, ausgemergelte Flüchtlinge auf Schrottkähnen, nichts bleibt uns mehr verborgen, und alles scheint irgendwie bedrohlich näher zu rücken. Das ist schwer auszuhalten, keine Frage, und vor all dem die Augen zu verschließen, ist eine mögliche Reaktion. Da flüchten die einen an die Stricknadeln oder an das Marmeladenglas oder ins Wellnesshotel, die anderen zu Pegida.
Vielleicht gibt es ja eine Alternative. Nämlich, sich für das neue Jahr vorzunehmen, ein klein wenig von seiner Bequemlichkeit, seinem Geld, seinem Bedürfnis nach Rückzug, Wellness und work-life-balance abzugeben. Keiner kann allein die Welt retten, und jeder hat ein Recht auf Erholung von stressigen, zermürbenden Jobs. Aber vielleicht kann man sich ein Thema aussuchen, nur eins, mit dem man sich näher befassen und für das man sich engagieren will. Sei es nun Natur- oder Umweltschutz, fairer Handel, Klimawandel oder Flüchtlinge. Vesperkirche oder Hausaufgabenhilfe für Migrantenkinder. Kröten über die Straße tragen oder gegen Pegida auf die Straße gehen oder im Eine-Welt-Laden Kaffee verkaufen. Es ist eigentlich ziemlich egal. Gleichgesinnte zu treffen, sich gemeinsam für etwas einzusetzen, das hilft auch gegen die Ohnmacht und den Frust.
Bei der Frage, was uns Menschen wirklich glücklich macht, nennen Glücksforscher und Glücksstudien immer auch den Faktor ehrenamtliches Engagement. In diesem Sinne könnten wir uns vornehmen, im neuen Jahr ein bisschen glücklicher zu werden.
PS: Schnell noch „Paddington“ im Kino ansehen, ehe es zu spät ist! Ein wunderbarer, warmherziger Film über einen kleinen Bären aus dem dunkelsten Peru, der in einem kalten und abweisenden London der Gegenwart eine neue Heimat sucht, etwaige Parallelen zum wirklichen Leben nicht ausgeschlossen. Absolut erwachsenentauglich…