Ach, wie nett war’s bei der Landesschau! Das ist wirklich eine lustige Truppe dort. Wer’s verpasst hat, hier der Link zur Mediathek:
Heute empfehle ich einen Film für alle und zwei Theaterstücke für die, die in der Region Stuttgart wohnen. Fangen wir mit dem Film an, dann können sich die Nicht-Stuttgarter ausklinken…
Der Oskar hat es an den Tag gebracht und den Film „Moonlight“ im zweiten Anlauf zum besten Film gewählt. Nominiert für drei Oskars war auch „Hidden Figures“- und ging leider leer aus. In beiden Filmen geht es um Rassismus, und weitere Filme zu diesem Thema kommen demnächst in die Kinos – Ende März „United Kingdom“, der die wahre (Liebes-)Geschichte zwischen einem afrikanischen Stammesfürsten und einer weißen Britin erzählt, und im Mai „Get out“, der ein cleverer Mix aus Horrorfilm und Rassismus-Kritik zu werden scheint. Viele Beiträge also zu einem Thema, bei dem man eigentlich in der Ära von Präsident Obama echte Fortschritte zu erkennen glaubte – allein, unter Trump scheint alles wieder rückwärts zu gehen, sodass diese Filme schon wieder beinahe visionär wirken.
„Hidden figures – Unerkannte Heldinnen“ erzählt die wahre, bisher weitgehend unbekannte Geschichte hochbegabter schwarzer Mathematikerinnen, die zu Beginn der 1960er Jahre bei der NASA arbeiten. In einem von den weißen Wissenschaftlern räumlich getrennten Gebäude arbeiten die als „computers“ bezeichneten schwarzen Frauen diesen zu. Der Film stellt insbesondere die Geschichte dreier Frauen in den Mittelpunkt, Katherine Goble, Dorothy Vaugh und Mary Jackson. Katherine Goble, ein absolutes Mathe-Genie, arbeitet schließlich direkt mit den weißen Wissenschaftlern zusammen, muss dabei aber ständige Demütigungen ertragen, beispielsweise einen nahezu endlosen Weg zur rassengetrennten Toilette. Es ist historisch belegt, dass Gobles Berechnungen der Flugbahnen der ersten bemannten Raumflüge entscheidenden Anteil am Erfolg der Programme hatten und ihr der Astronaut John Glenn völlig vertraute. Sie lebt noch heute und wurde 2015 im Alter von 97 Jahren von Präsident Obama geehrt.
Dieser Film ist anrührend, beschämend und sehr ermutigend – er zeigt, wie sich diese drei Frauen in ihrer moralischen Integrität durch nichts erschüttern und von keiner Demütigung unterkriegen lassen. Besonders im Kopf geblieben ist mir eine Szene: Eine weiße Wissenschaftlerin beteuert gegenüber Dorothy Vaughn, sie habe nichts gegen sie. „Ich weiß“, antwortet Dorothy und fügt nach einer Pause hinzu, „…dass Sie das glauben.“ Unbedingt anschauen!
Und nun zu zwei Stuttgarter Theaterproduktionen. Die tri-bühne zeigt das Stück der algerischen Autorin Rayhana, „In meinem Alter rauche ich immer noch heimlich.“ Eine Gruppe von Frauen trifft sich in einem nicht näher bezeichneten islamischen Land im Hamam. Eine von ihnen ist unverheiratet schwanger und wird von Fatima im Hamam vor ihrem Bruder versteckt. Im geschützten Raum des Hamam verhandeln die Frauen Themen wie Ehe, Gewalt, Religion und Terrorismus. Bedrückend ist das einerseits, weil so realistisch dargestellt, und weil man hineingenommen wird in diese Welt, in der die Frauen nicht die Wahl haben, frei über ihr Schicksal zu entscheiden. Sehr komisch andererseits, wenn verschiedene Weltanschauungen aufeinanderprallen. Wir lesen immer über die Länder, aus denen die Flüchtlinge kommen, in diesem Stück sind wir mittendrin, erleben die Kontraste und Zerrissenheiten hautnah und bekommen eine Ahnung davon, wie der Westen zur Radikalisierung islamischer Länder beiträgt. An manchen Stellen wirkt das vielleicht ein wenig exemplarisch, doch das dramatische Ende lässt einen aufgewühlt zurück. Rayhana lebt im Exil in Frankreich und wurde 2010 von Extremisten auf offener Straße in Paris mit Benzin übergossen, zum Glück missglückte der Anschlag.
Weitere Vorstellungen unter http://www.tri-buehne.de.
And now to something completely different. Das Theater der Altstadt hat die Farce „Außer Kontrolle“ des Briten Ray Cooney wiederaufgenommen. Ein konservativer Minister trifft sich zum Schäferstündchen mit der Sekretärin der Opposition in einem Londoner Hotel. Leider liegt auf dem Fenstersims des Hotels eine Leiche. Das ist der Ausgangspunkt für anderthalb Stunden Slapstick in sehr hohem Tempo. Natürlich ereignet sich immer die größtmögliche Komplikation, aus der sich der Politiker mit immer dreisteren Lügen herauszuwinden sucht. Das Ensemble spielt mit sichtlichem Vergnügen und hohem Körpereinsatz, zum großen Spaß des Publikums.
So macht das Theater eben beides: Es zeigt uns bedrückende Realitäten einerseits und gibt uns andererseits die Möglichkeit, für ein paar Stunden zu lachen und das, was da draußen so passiert und uns frustriert, zu vergessen. Wir brauchen beides. Und wir brauchen diese kleinen Theater, die uns so ein intensives Theatererlebnis bieten, mit ihren engagierten Schauspieler/innen und Intendantinnen, ob sie nun Edith Koerber oder Susanne Heydenreich heißen, und die es nicht nur in Stuttgart gibt. Deshalb: runter vom Sofa, rein ins Theater!
Weitere Vorstellungen unter http://www.Theater-der-Altstadt.de
P.S. Nächste Woche Lesungen in Heidenheim (14.3.) und Möckmühl (17.3.)!