Altwerden ist nichts für Feiglinge, das wusste schon Joachim Fuchsberger. Das Stuttgarter Theater der Altstadt bringt es jetzt mit dem Songdrama „Ewig jung“ von Erik Gedeon auf den Punkt – grell und bitterböse, respekt- aber nie geschmacklos.
Das Schauspielensemble des Theaters der Altstadt spielt sich selbst – im Jahr 2057. Seit 40 Jahren steht das Stück „Ewig jung“ auf dem Spielplan, in der immergleichen Besetzung, auch wenn die leider aus biologischen Gründen von Jahr zu Jahr schrumpft. Es geht sehr langsam zu auf der Bühne, man hört geradezu die Knochen krachen, wenn Susanne, Reinhold, Ambrogio, Lou und Tatjana über die Bühne schlurfen und mühsam versuchen, das Tanzbein zu schwingen oder zu „Born to be wild“ abzurocken. Das ist sehr, sehr böse, beispielsweise, wenn die junge und bildhübsche Krankenschwester Bernadette, die regelmäßig betont, dass sie ja noch lange nicht zum alten Eisen gehört, eine Arie à la Johann Sebastian Bach anstimmt, in der es ums „verrecken“ und „krepieren“ geht. Auch Tatjana ist nicht gerade zartbesaitet, sie flucht wie ein Bierkutscher und sehr weit unter der Gürtellinie. Susanne dagegen ist ziemlich vergesslich, sie weiß vor allem, dass sie eine Möwe ist, während sich Ambrogio und Lou bis aufs Messer reizen. Diese Alten schenken sich nichts, aber wenn Susanne ‚“All by myself“ anstimmt oder sie und Reinhold sich sehr inniglich in den Arm nehmen, dann kippt es von lustig sehr schnell zu melancholisch. Trotz aller Bissigkeit ist diese Revue keine leichte Kost, lässt sie uns doch ahnen, was da auf uns alle zukommt – Vergesslichkeit und Gebrechlichkeit, Schmerz und Einsamkeit, und vielleicht werden sich unsere Angehörigen für uns Fremdschämen. Niemand von uns wird dem entkommen, so wir es denn bis ins Alter schaffen. Vielleicht sollte man sich jetzt schon darauf vorbereiten, dass nur zwei Dinge wirklich helfen werden – Musik und sehr, sehr viel Humor. Beides ist in „Ewig jung“ reichlich vorhanden. Ein wenig mehr Story hätte man sich vielleicht gewünscht – mit „Heiße Ecke“ kann dieses Stück in dieser Hinsicht nicht mithalten. Dafür entschädigen Hits wie „Forever young“ oder (zum Wegschmeißen) Tatjana als „Barbie Girl.“ Stimmlich ragt Bernadette Hug heraus (aber die ist ja auch noch jung).
Regisseur Stephan Bruckmeier, der früher viele Jahre lang am Stuttgarter Theater Rampe gearbeitet und vor Jahren zusammen mit Petra Weimer auch mein kurzes Stück „U7“ auf dem Fernsehturm inszeniert hat, gibt dieser Revue genau den richtigen Ton, indem er sich auf dem wackligen Grat zwischen greller Überzeichnung und völlig absurder Komik einerseits und melancholisch-anrührend andererseits sehr stilsicher bewegt. Dazu tragen auch die Kostüme bei, die ein bisschen an Rocky Horror Picture Show (Tatjana) oder Varieté erinnern. Und Oliver Heise am Klavier spielt zum Glück nicht so tatterig, wie er sich gibt. Kommentar einer Besucherin in der Reihe vor mir: So kommt mei Chef au derher… Weitere Termine für „Ewig jung“ unter http://www.theater-der-altstadt.de!
Und übrigens, für alle, die es noch nicht mitbekommen haben, ich schreibe selber eine Komödie für das Theater der Altstadt – die wird am 7. Juli 2018 uraufgeführt werden und heißt „Allein unter Schwaben – Bloß net en onserm Hinterhof!“
P.S. Am kommenden Sonntag, 20.15 Uhr, ist das „Nairobi Hope Theatre“ unter der Leitung von Stephan Bruckmeier zu Gast im Theater der Altstadt – ein großartiges Tanz- und Schauspielprojekt mit Jugendlichen aus einem Slum in Nairobi.
P.P.S. Am Samstag Lesung „Kleine Verbrechen erhalten die Freundschaft“ mit Musik von Susanne Schempp in Sindelfingen bei den Ba-Württ. Literaturtagen!