Where are the horses? Die Shetlandponies auf dem Coast Path sind verschwunden.
Nein, ich bin nicht in letzter Minute zur Royal Wedding eingeladen worden, und ich habe mir erst abends die Zusammenfassung angeschaut. Da halb Großbritannien vor dem Fernseher saß, gab es nachmittags in meinem Lieblingscafé am Lizard Point viel Platz und einen Tisch mit Blick aufs Meer.
Aber das Königshaus hat schon eine erstaunliche Wandlung durchgemacht! Schwarzer Gospelchor! Schwarzer, extrem charismatischer Prediger! Von der Steifheit des Protokolls, das man sonst gewöhnt ist, war wirklich nicht viel zu spüren, und die zwei guckten sich ja richtig verliebt an. Heinke und ihr Mann scheinen es jedenfalls sehr lustig auf Ihrer Tea-Party gehabt zu haben!
Es gibt die schöne Geschichte, die Queen hätte bei ihrem Besuch in Marbach am Neckar 1965 gefragt, „Where are the horses“, weil sie die Pferde in Marbach auf der Alb sehen wollte. Die Story ist aber frei erfunden. Ich frage mich aber, wo die Shetlandponies hingekommen sind, die ich fast täglich auf dem Küstenpfad besuche. Die drei Pferdchen halten das Gras kurz, so wie die Schafe auf der Alb, aber gestern am Pfingstsonntag waren sie einfach verschwunden.
Pfingsten beschränkt sich in Großbritannien auf den Sonntag, einen Pfingstmontag gibt es nicht. Überhaupt ist es ein sehr viel weniger religiös geprägtes Land als Deutschland, Religion spielt nur eine sehr, sehr untergeordnete Rolle und es gibt kaum christliche Feiertage, außer Weihnachten und Ostern. Himmelfahrt, Heilige Drei Könige, Fronleichnam, Allerheiligen, alles Fehlanzeige. Immerhin gibt es in Cadgwith ein winzigkleines Kirchlein, St. Mary’s, in einem blauen Holzhäuschen mitten im Dorf.
Hier die Kirche nochmal als Holzmodel:
Dort war gestern Abend ein Pfingstgottesdienst. Es waren ungefähr zehn Besucher da, ein Mann spielte Gitarre und eine Frau Querflöte, und der Pastor, der mir hinterher erzählte, das er mehr oder weniger den kompletten Südwesten Englands abdeckt, war sehr fröhlich.
Anschließend sprachen mich zwei Frauen an. Die eine meinte, sie würde mich immer morgens beim Nordic Walking sehen. Wusste ich doch, dass das hier wie Hallig Hooge ist, nichts bleibt unbeobachtet, und mir ist auch schon aufgefallen, dass die Leute hier komisch gucken, wenn ich mit meinen Stöcken auftauche, bestimmt denken sie, komische Städter, haben die nichts Besseres zu tun? Hier geht man nämlich nur spazieren, wenn man einen Hund hat. Und Hunde sind sehr verbreitet und werden absolut vergöttert, und es gibt viel mehr als bei uns, und an vielen Pubs steht explizit „dog friendly“. Das nur am Rande. Ich fragte die beiden Frauen dann, wieviel „echte“ Einwohner Cadgwith überhaupt noch hat, und sie meinten, wenn man alle Leute mitzählt, auch die, die weit verstreut um den Ort rumwohnen, sind es noch sechshundert Einwohner. Das ist mehr, als ich dachte. Fünfzig Prozent der Häuser seien Ferienhäuser. „Meine Nachbarn links und meine Nachbarn rechts wechseln jede Woche“, sagte die ältere Frau trocken. „Da gibt’s schon keinen Nachbarschaftszwist.“
Heute wird also wieder kräftig gehämmert, geflext und gebohrt und die Autos und Lieferwagen knubbeln sich auf der einzigen Straße und kommen kaum aneinander vorbei. Vorhin habe ich die Fischerboote fotografiert, als sie vom Fang kamen, das gibt dann eine Extrageschichte. Jetzt ist Cadgwith laut und geschäftig. Aber nachts. Da hört man nichts. Überhaupt nichts. Keine Seevögel. Keine Autos. Keine Flugzeuge. Keine Kirchenglocke. Es ist einfach ganz, ganz still. Für jemanden, der aus Stuttgart kommt, wo es immer Hintergrundgeräusche gibt, ist es unfassbar. Unfassbar himmlisch!