Zu viele Bücher?? Live von der Frankfurter Buchmesse

Gibt’s eigentlich irgendjemanden in diesem Zug, der nicht zur Messe fährt?
Eine Verlagsfrau unterhält sich mit ihren Kollegen über die Diskussion, bei der sie auf dem Podium sitzen soll. Die Veranstalter hätten sich schwer getan, Teilnehmer zu finden für das Thema „Die Krise des Lesens“. Vielleicht hätten ja manche „Die Krise des Lebens“ verstanden, und deshalb abgesagt, scherzt ihr Kollege.

Von der Krise des Lesens, die es nun einmal gibt, ist hier auf der Frankfurter Buchmesse nichts zu spüren. Überall sitzen wichtig aussehende Menschen in Runden zusammen und scheinen nichts von den Menschenmassen mitzubekommen, die sie umströmen. Und wer soll bloß all diese Bücher lesen? Ein wenig mulmig kann einem da als Autorin schon werden, angesichts der riesigen Messestände. Auf tausenden Regalen buhlen die Verlage um Aufmerksamkeit für ihre Bücher. Zu viele Bücher! Wie viele Frauenbücher gibt es eigentlich, auf deren Cover Frauen in Kleidern mit Koffern in der Hand vor Herrenhäusern stehen, deren Pforten einladend geöffnet sind? All diese Frauen müssen düsteren Familiengeheimnissen auf die Spur kommen, und das dauert meist mehrere Bände, und sie finden dabei natürlich auch über viele Umwege ihr Liebesglück.

Manche Autoren werden von Podest zu Podest weitergereicht. Wer auf einem Podest sitzt und sich entweder zu wichtigen Themen äußert oder zu seinem Buch befragt wird, hat’s geschafft. Sascha Lobo ist so ein Autor, mit seinem Irokesenhaar gibt er auch optisch was her. Er trägt Wanderschuhe zum Anzug. In einer Diskussion über Urheberrechte kriegt er sich leider furchtbar und sehr unsouverän in die Haare mit dem Filmkomponisten Matthias Hornschuh. Es geht um Urheberrechte, um das Streaming von Audiobooks und das minimale Honorar, das dafür gezahlt wird. Das ist sicher ein Thema, bloß verlieren sich die beiden in technischen Details, die niemand mehr mitverfolgen kann, und die Moderatorin Carola Christiansen lässt sie gewähren.


alle Fotos: Elisabeth Kabatek

Gefühlt auch immer da ist Anselm Grün. Im Lesezelt in der Agora konkurriert er leider damit, dass Yogi-Tee kostenlosen Yogi-Tee ausschenkt. So kommen viele wegen des Tees, nicht wegen dem Pater.

Im Restaurant Accente werden Spezialitäten aus Norwegen angeboten, dem Ehrengast der Buchmesse. Für Vegetarier gibt es gekochte Gerste, die genauso aussieht, wie sie klingt, für Fleischesser Kjottkakker mit Preiselbeeren, norwegische Fleischbällchen – IKEA lässt grüßen.

Am Eingang zur Präsentation des Ehrengastes verkauft eine Buchhandlung die Bücher der norwegischen Autorinnen und Autoren, die auf der Buchmesse lesen. Auf den Covern sind Fjorde, das Meer, Wikinger, Sonnenuntergänge, kleine rote Häuschen, Rentiere und norwegische Strickpullis abgebildet.

Klischee oder Wirklichkeit? Viele sehr liebevoll gemachte Kinder- und Jugendbücher sind dabei. Der Anzahl der Krimis nach zu urteilen, wird in Norwegen auch ungewöhnlich viel gemordet, wenn man berücksichtigt, dass das Land nur 5,2 Millionen Einwohner hat. Lesens- und lohnenswert erscheint für Erwachsene Erika Fatlands Reisebuch „Die Grenze“ (Suhrkamp), das erzählt, wie sie die russische Grenze abreist, und das herrliche Kinderbuch „Alle haben einen Po“ von Anna Fiske.

Während die Präsentationen der Gastländer in den letzten Jahren nicht besonders ansprechend waren, machen die Norweger einem wirklich Lust, zwischen den großzügig ausgestellten Büchern herumzuflanieren.

Außerdem haben sich die Norweger ein echtes Highlight ausgedacht: eine Duftbar. Auf einem Tisch stehen Gewürzstreuer, die keine Gewürze, sondern Gerüche enthalten, die von einer Geruchskünstlerin zusammengestellt wurden. Aufgabe ist es, die Streuer den Gerüchen zuzuordnen. Das erweist sich als extrem schwierig und unterhaltsam, es wird geschnüffelt, diskutiert und geraten, denn da sind ziemlich schräge Gerüche dabei!

Weiter geht’s zur ARD-Bühne, wo Nora Bossong ihren Roman „Schutzzone“ vorstellt. Das Buch hat es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 geschafft. Darin geht es um Mira, die als Unterhändlerin für die Vereinten Nationen arbeitet. Kann man in einem politischen Konflikt vermitteln, ohne dabei selber schuldig zu werden? Das ist eine der Fragen in diesem Roman, den ich auf meine Leseliste gesetzt habe. So interessant und klug wie ihr Buch wirkt auch die Autorin selbst, dabei ist sie gerade mal 37 Jahre alt.

Überhaupt ist dies die Buchmesse der starken Frauen. Und des Klimas. Greta ist überall, auch bei den wie immer sehr komischen Anwärtern des Deutschen Cartoonpreises.


Cartoon: Dorthe Landschulz

Starke Frauen? Und wie! Auf der ARD-Bühne sind jetzt „females for future“ zu Gast. Die eine rettet Flüchtlinge aus dem Mittelmeer, die andere kämpft fürs Klima, interviewt werden sie von Bärbel Schäfer.

Pia Klemp (zweite von links) war Kapitän bei Sea-Watch und berichtet in „Lass uns mit den Toten tanzen“ von ihrem Einsatz im Mittelmeer, für den ihr jetzt eine langjährige Haftstrafe droht. Im Gespräch erzählt sie von ihrem Frust über Wasserleichen und wie es ist, hilflos zuzusehen, wie Menschen ertrinken. Luisa Neubauer kommt aus der Friday-for-future-Bewegung („Vom Ende der Klimakrise. Eine Geschichte unserer Zukunft“) und sie hat die Wut und die Wucht von Greta. Wie sie da auf der Bühne sitzt, fasst sie klug, reflektiert und gleichzeitig ungeheuer emotional und aufrüttelnd zusammen, dass es doch längst nicht mehr um die Klimakrise allein geht. „Die Menschheit hat multiple Krisen!“ Die hat sie in der Tat, und das geht auch an der Buchmesse nicht spurlos vorüber, zum Glück, muss man sagen.

Ja, die Buchmesse ist dieses Jahr auffallend politisch, was ja auch kein Wunder ist. Da geht es viel um Rechtsextremismus und darum, das Klima zu retten. Aber kann das Buch eigentlich sich selber retten?
„Die Buchmesse hat längst nicht mehr die Bedeutung, die sie einmal hatte“, sagt meine Lektorin Michaela Kenklies auf dem Stand meines Verlages DroemerKnaur. Geschäfte ließen sich viel besser telefonisch abwickeln als im Messestress. Als Publikumsmesse sei sie dafür sehr wichtig, und aus ihrer Sicht könnte man die Messe ruhig die ganze Zeit fürs breite Publikum öffnen, nicht nur am Wochenende, so wie jetzt. Auf der Buchmesse mag als Branchentreff nicht mehr so wichtig sein wie früher, aber immerhin gelingt es der Buchbranche damit, einmal im Jahr weltweit zum Hauptgesprächsthema zu werden. Und was kann dem Buch Besseres passieren?


Michaela Kenklies, Elisabeth Kabatek und „Schätzle allein zu Haus“ am Droemer-Stand


…und am Piper-Stand darf auch die „Gebrauchsanweisung für Stuttgart“ nicht fehlen

P.S. Noch bis Ende Oktober läuft im Theater der Altstadt „Allein unter Schwaben!“ ALLERLETZTE CHANCE! Karten über das Kartentelefon 0711 – 99 88 98 18.
P.P.S. Achtung, Termin falsch: Die Buchpremiere von Chaos in Cornwall ist am
Sonntag, 29. März, 11 Uhr, nicht am 1. April, das Buch erscheint am 1. April!
UND NOCH eine allerletzte Chance: Die letzte Lesung von „Schätzle allein zu Haus“ findet am 6. November in der Buchhandlung Röhm in Sindelfingen statt!!

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