Heute ist unser letzter Tag in Quarantäne. Und nein, es hat keinen Spaß gemacht.
Es ist schön, wieder in Stuttgart zu sein. Auch wenn wir bisher nicht allzu viel davon hatten. Und ja, danke, wir erfreuen uns bester Gesundheit. Wahrscheinlich wird in den nächsten Tagen die Quarantäne-Pflicht für Einreisende aus dem Ausland gekippt. Nur leider hilft uns das nichts mehr, wir sind vor fast zwei Wochen eingereist. Und sagen wir mal so: Es gab gute und schlechte Tage.
Das Quarantäne-Tagebuch
Kleine Vorab-Info: Quarantäne heißt, man macht die Wohnungstür hinter sich zu und 14 Tage nicht mehr auf. Bzw. nur auf, um Lebensmittel hereinzuholen, die freundliche Menschen deponiert haben, um einen vor dem Verhungern zu bewahren.
Sonntag, 3. Mai
Zum Glück kein schönes Wetter. Wir wohnen im Erdgeschoss – erste Hallos mit Nachbarn vom Fenster aus, man bringt sich gegenseitig auf den neuesten Stand. Corona in England, Corona in Deutschland, gibt ja eh kein anderes Thema, schön, dass Sie wieder da sind! Einkaufs- und Hilfsangebote. Ich bin fix und fertig von der gestrigen Reise. Aber der Kühlschrank wurde von FreundInnen gefüllt, mit lauter leckeren Sachen! Gegen Abend sehen Wohnung und Balkon wieder halbwegs bewohnbar aus, nachdem sie von sieben Wochen Staub und Pollen befreit wurden. Gar nicht so schlimm, so eine Quarantäne, da kann man sich erholen, und verpasst nix. Zumindest am ersten Tag. Bis 18 Uhr. Jetzt rausgehen, das wäre schön. Nix rausgehen. 1 Milliarde Euro Strafe vom Gesundheitsamt. ICH. WILL. RAUS!! Wir haben einen langen Flur und bauen einen Parcours auf: Flur runterrennen, unter die „welcome“-Girlande ducken, über einen Sprudelkasten hüpfen, zweimal mit einem Tennisball gegen die Wand dotzen, ums Eck rennen, durch die Wohnzimmertür zurück. Besser als nichts. Es macht sogar richtig Spaß. Aber das ist keine Dauerlösung. Ich überlege mir, dass wir zu zweit auf unserem Balkon Seilhüpfen könnten und suche online nach den beiden Sprungseilen in ganz Deutschland, die am Schnellsten geliefert werden können. Intersport sagt Lieferung in den nächsten drei Tagen zu, ein Seil kostet nur 4,99 Euro. Da kann man echt nicht meckern.
Montag, 4. Mai
Mein Mann toastet Brot zum Frühstück. Er toastet jedes Brot, egal, in welchem Zustand, auch frisches Vollkornbrot. Er ist Brite, und deswegen ein bisschen bekloppt. Tee und Toast. Was soll man da machen. Der Toaster, ungefähr 25 Jahre alt und ein Erbstück von meiner Mutter, stößt eine Stichflamme aus, japst noch ein letztes Mal und haut die Sicherung raus. Der Toaster ist tot. Ausgerechnet jetzt! Am zweiten Tag der Quarantäne! Mein Mann guckt betrübt. Ich frage ihn, ob er es bis zum 16. Mai ohne Toaster durchhält, und verspreche, dass wir dann so-fort einen neuen Toaster kaufen. Mein Mann nickt tapfer. „Es gibt Wichtigeres in einer Pandemie als Toaster“, flüstert er mit Tränen in den Augen. Ich gehe an den Computer. Ich muss meine Kolumne für die Stuttgarter Zeitung schreiben, dringend. Ich verbringe die nächsten anderthalb Stunden damit, nach dem Toaster in ganz Deutschland zu forschen, der am schnellsten geliefert werden kann. Ich finde einen roten Boschtoaster, der zu unserer Küche passt. Deutsche Firmen brauchen jetzt unsere Unterstützung. Der Toaster hat 1-3 Tage Lieferzeit. Ich werde meinen Mann damit überraschen.
Dienstag, 5. Mai
Ich hab’s nicht durchgehalten und meinem Mann gesagt, dass ich ihn in den nächsten 1-3 Tagen mit einem Toaster überrasche. Er hat sich gefreut wie ein Schnitzel. Er hatte übrigens auch einen Boschtoaster. Der ging irgendwann in Flammen auf, ich konnte ihn gerade noch brennend in den Garten schmeißen, bevor er das Haus abgefackelt hat. Warum machen Toaster so etwas? Sind die irgendwie fies veranlagt? Eine Freundin kommt vorbei und bringt Nachschub für den Kühlschrank, sowie eine zweite Sportmatte. Wir plaudern am Fenster. Hinterher merke ich, dass ich heulen muss. Wir haben uns acht Wochen nicht gesehen. Tatsächlich ist sie der erste befreundete Mensch (abgesehen von meinem Mann, den ich seit acht Wochen ziemlich regelmäßig sehe), den ich seit über acht Wochen sehe. Das bleibt emotional nicht ohne Folgen. Meine Schwester mailt, DHL sagt, das Päckle kommt heute! Helle Aufregung. Ein Päckle! Mit Kuchen! Das zweite Highlight nach der Freundin. Soviel Aufregung an einem Tag, das ist ja fast nicht auszuhalten! Eine halbe Stunde später sehe ich DHL vorfahren, der Fahrer balanciert fünf Päckle. Die Nachbarin nimmt die Päckle an, ich presse das Ohr an die Wohnungstür (0 Euro Strafe), höre, wie sie sagt, ja, Kabatek auch. Ich warte zwei Minuten, schleiche zum Briefkasten, obendrauf liegt unser Päckle. 10 Millionen Euro Strafe und Verlängerung der Quarantäne auf drei Jahre, wenn das Gesundheitsamt diese Zeilen liest. Im Päckle ist ein Kirschkuchen! Hurra. Und selbstgemachte Brotaufstriche! Und Schokolade! Ich schreibe meiner Schwester, dass wir die Wohnung nach der Quarantäne durchs Fenster verlassen müssen, weil wir nicht mehr durch die Tür passen. Als Gegenmaßnahme breiten wir unsere Matten auf dem Balkon aus. Es ist die halbe Stunde am Tag, wo wir Sonne auf dem Balkon haben. Mein Mann findet ein amerikanisches Fitnessvideo. Eine sehr hübsche, sehr schlanke und sehr fitte Fitnesstrainerin bringt uns eine halbe Stunde lang an unsere Grenzen. Die einen Nachbarn schauen von ihren Lounge-Sesseln interessiert zu, die anderen grillen gerade direkt unter uns. Kein Entkommen. Es ist ein wenig schwierig, hustend im Rauch Fitnessübungen zu machen. Ich schreibe einen Brief an meine Tante, mache einen Aufkleber drauf und und schleiche mich zum (hausinternen) Briefkasten (nochmal 10 Millionen). Auf dem Aufkleber steht, Bitte mitnehmen, danke!
Mittwoch, 6. Mai
Ich linse morgens aus der Wohnungstür (5 Millionen Euro Strafe). Der Brief an meine Tante ist schon weg. Die Sprungseile sollen heute ausgeliefert werden. Alle 13,5 Minuten überprüfe ich den Lieferstatus. Die Kolumne für die Stuttgarter Zeitung ist immer noch nicht geschrieben. Man hat einfach keine Zeit in der Quarantäne! Heute ist der erste richtig schöne sonnige Tag seit unserer Rückkehr. Wann kommen endlich die Eisheiligen? Ich checke ständig die Nachrichten, für welche Lockerungen sich die Länder und vor allem Baden-Württemberg entschieden haben. Nicht, dass ich irgendwas davon hätte.
Donnerstag, 7. Mai
Alles wie am Tag zuvor. Immer noch keine Springseile. Mein Mann will nochmal das Video mit der hübschen Trainerin machen.
Freitag, 8. Mai
Zum Glück nur ein Wochenende in Quarantäne. Die Springseile sind da!
Samstag, 9. Mai
Der Toaster ist da! Das Wetter ist schön. Fahrräder und Menschen ziehen am Fenster vorbei, in freudiger Erwartung auf Bewegung und Natur. Jetzt weiß ich, wie sich ein Kanarienvogel im Käfig fühlt. Abends machen wir eine Pizzaparty am Fenster. Eine Freundin (die ich nicht namentlich nenne, um ihr die drei Millionen Euro Strafe vom Gesundheitsamt zu ersparen) sitzt unten auf dem Parkplatz vor dem Haus, isst Pizza und trinkt Wein. Wir sitzen oben auf dem Fensterbrett, essen Pizza und trinken Wein. In der Quarantäne-Verordnung steht nicht, dass man keine Fensterpartys machen darf.
Sonntag, 10. Mai
Wann wird das Scheiß-Wetter endlich schlecht?
Montag, 11. Mai
Hurra! Es regnet. Den ganzen Tag! Weiter so!
Dienstag, 12. Mai
Die Sonne scheint. Nur noch vier Tage! Vier Tage, das ist doch nichts.
Mittwoch, 13. Mai
Drei Tage. Eine Ewigkeit.
Donnerstag, 14. Mai
Herrlich, dass es kalt ist. Niemand grillt vor unserer Nase oder sonnt sich. Weiter so!
Freitag, 15. Mai
Morgen. Dürfen. Wir. Raus!
Obwohl… Ich will gar nicht mehr raus. Es ist so schön. Zurückgezogen von der Welt, versorgt von Freunden. Alles ist so wunderbar reduziert. Ich bleibe, wo ich bin, die nächsten zwanzig Jahre.
DARAUS WIRD NICHTS!
Am Freitag, 22. Mai, siginiere ich Bücher bei Wittwer, und wenn Sie ein signiertes Ex. von „Chaos in Cornwall“ haben wollen, dann rufen Sie bei Wittwer an unter 0711 2507-0 und geben Ihren Signierwunsch durch, oder Sie schicken eine Mail an thalia.stuttgart-kundenbestellungen@thalia.de! Die Bücher können dann entweder im Abholfach abgeholt werden, oder, wenn Sie auf Rechnung gekauft haben, versandkostenfrei verschickt werden. Das können also auch Nicht-StuttgarterInnen machen!!
Und am Donnerstag, 28. Mai, 16 Uhr, signiere ich PERSÖNLICH unter Einhaltung aller Vorschriften im Garten der Buchhandlung Schairer in Stuttgart-Feuerbach, Feuerbacher Talstr. 3, Tel. 0711/856191!
ich will auch noch eine Signatur in meinem Buch! Ich bringe es vorbei, Samstag 00:01, dann ist die Quarantäne-Zeit doch vorbei, oder?
Du kannst sogar schon um Punkt 24 Uhr kommen, Margarita. Da gehen wir ganz legal spazieren.
Liebe Frau Kabatek, ich habe sehr gelacht … aber es ist wirklich wahr, man gewöhnt sich an das reduzierte Leben.
Gute Eingewöhnung! Herzliche Grüße Jutta Schneider
Mann o Mann bzw. Frau- 14 Tage- hoffentlich muss ich das niiieee!!! Schöööönes Draußen- Leben ab 24:00😉Mechthild
Hallo Frau Kabatek,
Ich habe gestern mit meiner dreiwöchigen Kontaktsperre (Corona geschuldete Reha) begonnen und heute Chaos in Cornwall erhalten. Dem Service von ONE in Rutesheim sei gedankt.
Mal sehen, ob mir Margarete die Zeit ebenso kurzweilig gestaltet wie es Pipeline vermochte.
Ihnen und ihrem Gatten eine kurzweilige Nachquarantänezeit
Grüßle Marko
One in Rutesheim ist klasse! Viel Spaß beim Lesen. Einkaufen in Stuttgart mit Maske macht keinen Spaß, seufz… Alles Gute!!!