Wer diesen Sommer Urlaub in Großbritannien gemacht hat, der brauchte ein Visum – aber keinen Regenschirm

Es war der heißeste Sommer aller Zeiten in Großbritannien, mit insgesamt vier Hitzewellen. Temperaturen von bis zu 34 Grad gab’s in Wales, wo der Sommer normalerweise um die 18, 20 Grad herumdümpelt und die grünen Hügel mit sehr viel Regen vom Atlantik begießt. Der ist dieses Jahr vor allem in Schottland gefallen. In Wales herrscht dagegen offiziell Dürre. Die Schafweiden sehen aus wie Stroh, die vorherrschende Farbe ist gelb, nicht grün. Flüsse und Bäche sind Rinnsale, die Bäume werfen ihre Blätter ab, zwei Monate zu früh. Der Weißdorn trägt jetzt schon die roten Früchte, die eigentlich den Vögeln als Winternahrung dienen sollen. Überall liegen Bucheckern herum, viel zu früh für die vielen Squirrels. Die Urlauber haben sich gefreut am tollen Wetter. Es werden jedes Jahr mehr hier in Nordwales, (noch) überwiegend Briten. Kein Wunder. Der britischen Wirtschaft geht es schlecht, da bietet sich staycation an, und warum soll man wegfliegen, wenn man auch hier plötzlich die Abende draußen verbringen kann, die sonst empfindlich kühl sind? Dass es der Wirtschaft schlecht geht, wird der aktuellen Labour-Regierung angelastet, obwohl diese ein mehr als schweres Erbe angetreten hat. Vor allem der Brexit kostet die Wirtschaft Milliarden. Die Inflation ist hoch, Lebensmittel sind sehr viel teurer geworden, und damit auch die Gastronomie. Pubs und Restaurants machen reihenweise dicht. Kein Wunder, wenn die meisten Lebensmittel importiert werden und durch den Brexit teurer geworden sind. Und plötzlich bereuen auch hartnäckige Europa-Gegner den Austritt. Das ist wie bei Stuttgart 21. Man hat es eigentlich vorher gewusst, aber die Briten haben sich von Boris Johnson, Demagogie und falschen Versprechungen einwickeln lassen. „Let’s take back control“, wir wollen wieder selber bestimmen. Dass das in einer globalisierten Welt nicht funktioniert, hätte man vorher wissen können, aber so weit denken die meisten Briten nicht. Sie begreifen auch nicht, dass der Klimawandel entscheidend dazu beiträgt, dass die Preise steigen. Die Farmer haben aus der Not heraus im Sommer das Winterfutter an Schafe und Kühe verfüttert.
Der rechte Populismus hat erschreckende Ausmaße angenommen. Die Leugnung des Klimawandels, das Festhalten an fossilen Energien und Fracking steht in engem Zusammenhang mit rechtem Populismus, das ist nicht nur in den USA so. Ein Lichtblick ist da der britische „Guardian“, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, gegen alle Widerstände über den Klimawandel und seine Folgen zu schreiben, und so findet man hier die neuesten Forschungen, die aktuellsten Berichte. Die allerdings sind nicht dazu angetan, die Nerven zu beruhigen. Der Golfstrom könnte kippen, vielleicht ist er auch schon gekippt. Die langfristigen Folgen: Nordeuropa erlebt eine Eiszeit und Großbritannien und Skandinavien werden unbewohnbar. Und dann haben wir plötzlich Klimaflüchtlinge aus dem Norden. Doch im Augenblick wird alles, was in Großbritannien schiefläuft, auf die Flüchtlinge aus dem Süden projiziert, die in Booten über den Kanal setzen. Der Hass, der sich über diese Menschen ergießt, die zum Großteil aus ehemaligen britischen Kolonien fliehen, die jahrhundertelang ausgebeutet wurden, was aber keinen interessiert, ist unbeschreiblich. Es gibt eine neue Bewegung, britische und englische Flaggen (auf der englischen ist ein rotes Kreuz auf weißem Grund) in Läden, an Straßenlaternen und auf Brücken aufzuhängen. Geflüchtete, die in einem Hotel in Epping, Essex untergebracht werden, werden Tag und Nacht belagert. Es sind die Menschen aus dem Ort, die hier demonstrieren. Die Geflüchteten werden bezichtigt, potenzielle Vergewaltiger zu sein, und die Sicherheit der Mädchen und Frauen im Ort zu bedrohen. „Defend our girls“, „Deport foreign criminals“ steht auf den Plakaten zu lesen. Jeder Geflüchtete ist automatisch ein Krimineller. Die Politik von Reform UK unter Nigel Farage heizt diese Polemik an, und die Labour-Regierung setzt dem nur wenig entgegen.
In Deutschland bewegen wir uns auch in diese Richtung. Bei der Bürgerversammlung in Stuttgart-Weilimdorf im Juli war das beherrschende Thema eine LEA, eine Landeserstaufnahme für Geflüchtete, die möglicherweise im Industriegebiet in Weilimdorf entsteht. Und auch hier wurden Geflüchtete mit Kriminellen gleichgesetzt. Man könne dann ja nicht mehr zur S-Bahn-Haltestelle. Immobilien würden an Wert verlieren. Das Sicherheitsgefühl wäre für alle Zeiten vorbei, Wohnungseinbrüche an der Tagesordnung. Es half nichts, dass der Beauftragte des Landes beteuerte, dass es keinen Beleg gibt, dass in der Nähe von Flüchtlingseinrichtungen die Kriminalitätsrate nicht höher ist. Um am wenigsten half es, dass Oberbürgermeister Nopper seine Hände in Unschuld wusch. Als Vertreter der Stadt könne er es sich ja nicht aussuchen, wo das Land eine LEA hinsetzt. Doch seine Bedenken und die deutlich sichtbare Ablehnung der LEA schürten doch letztlich nur die Ängste der Bevölkerung, und das ist unverantwortlich.
Zu diesen Themen passt eine Veranstaltung, auf die ich mich besonders freue: Der soeben neu gegründete Verein „Weil für Demokratie und Zusammenhalt“ hat mich eingeladen, gemeinsam einen kabarettistisch angehauchten (ja, das geht!) Abend zu gestalten. Trotz allem, was gerade in der Welt schiefläuft, und es scheint immer mehr zu werden, gilt es, Nerven und Humor zu behalten!
Donnerstag, 9. Oktober, 19.30 Uhr, Stuttgart-Weilimdorf
Zusammenhalt stärken, Humor nicht verlieren!
Ein Abend mit der schwäbischen Kabarettistin Elisabeth Kabatek
Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindezentrum
Wormser Str. 23
70499 Stuttgart-Weilimdorf
Veranstalter: WEIL für Demokratie und Zusammenhalt
Eintritt frei, um eine Spende wird gebeten
Und etwas weiter in die Zukunft: Die Anstifter Stuttgart veranstalten einen Abend zu Betty Rosenfeld, bei dem ich ein englisches Gespräch moderieren werde. Zur Erinnerung: Es gibt eine Initiative, den Bismarckplatz im Stuttgarter Westen in Betty-Rosenfeld-Platz umzubenennen und ein Denkmal für sie aufzustellen. Betty Rosenfeld war eine jüdische Krankenschwester aus der Breitscheidstraße, die in Auschwitz ermordet wurde.
Do., 20. November 2025, 19:00 Uhr, Theaterhaus Stuttgart
Lesung, Musik und Bildende Kunst: Ein Benefizabend für Betty Rosenfeld
Veranstalter: Die AnStifter und das Theaterhaus Stuttgart
Aber natürlich gibt es davor auch ein paar Veranstaltungen, bei denen Humor und Unterhaltung im Vordergrund stehen!
Freitag, 19. September, 19 Uhr, Herrenberg, Alte Turnhalle
Von ällem ebbes – Vielfalt auf Schwäbisch
Mit Elisabeth Kabatek, Jan Denzler und Marlies Blume
Veranstalter: Landkreis Böblingen
Samstag, 20. September, Asperg, Glasperlenspiel
Elisabeth Kabatek: Die komischsten Szenen aus dem Leben von Pipeline Praetorius
Lesung mit vielen Überraschungen! Im Schweinsgalopp durch fünf Romane von „Laugenweckle zum Frühstück“ bis „Schätzle allein zu Haus!“
Das Glasperlenspiel in Asperg, e.V.
Kelterstr. 5
71679 Asperg
Homepage: www.glasperlenspiel.de
Und das Highlight (wörtlich zu nehmen): Kabatek macht Kabarett auf dem Fernsehturm, am Montag, 10. November! Alle Termine auf der Homepage:
https://www.e-kabatek.de/termine/default.htm
Und nicht vergessen: auf Facebook und Instagram (elisabeth.kabatek) gibt es aktuelle Fotos, Videos und viel Unterhaltsames!
Zum Abschluss die gute Nachricht: Seit ein paar Tagen regnet es endlich in Großbritannien, auf den Schafweiden sind erste kleine grüne Inseln zu sehen und der Fluß hat wieder etwas mehr Wasser…