Eigentlich fällt diese kurze Kritik nach dem langen Blog von letzter Woche noch in die Rubrik Oscar-Check. Meryl Streep hat im Rennen um die beste weibliche Hauptrolle gegen Frances McDormand verloren, aber die hat dann bei der Preisverleihung alle Frauen im Saal miteinbezogen, und so wie das aussah, meinte sie es ernst. Auf jeden Fall haben sich Meryl und Frances heftig geherzt.
Beide gehören zu der Sorte Frau, die in Hollywood immer ihren Mund aufgemacht haben, und Meryl Streep hat sich bei den Golden Globes auch schon ganz böse mit Donald Trump angelegt. Man hat irgendwie den Eindruck, diese Schauspielerin gibt es schon immer, sei es in ihrer wohl berühmtesten Rolle in „Out of Africa“ oder in ihrer komischsten Rolle als Sängerin Florence Foster-Jenkins (wir berichteten). Auf jeden Fall schön, dass sie nie von der Kinoleinwand verschwunden ist!
Ich hatte gedacht, dass es in „Die Verlegerin“ von Stephen Spielberg vor allem um das Thema Pressefreiheit geht. Tut es auch, schließlich geht es um einen historischen Prozess, den die damals eher unbedeutende „Washington Post“ gegen den Supreme Court, also den Obersten Gerichtshof der USA gewann: Nämlich, dass die Veröffentlichung geheimer Regierungsdokumente über den Vietnam-Krieg Vorrang hat vor dem Schutz ebendieser Geheimnisse. Aus gutem Grund wollte die Nixon-Administration verhindern, dass die von Verteidigungsminister McNamara erstellte Studie an die Öffentlichkeit kam. Seit Jahren war der US-Regierung klar, dass der Vietnam-Krieg nicht zu gewinnen war, und es war vor allem die Angst vorm Gesichtsverlust, die sie den Krieg weiterführen ließ. Aus Sicht der Familien, deren Söhne in Vietnam waren, kein wirklich guter Grund…
Die Washington Post gewann den Prozess, und es war die gleiche Zeitung, die den Watergate-Skandal aufdeckte und Nixon damit endgültig zu Fall brachte. Mir bleibt aber vor allem Meryl Streep in der Rolle der Verlegerin Kay Grahams in Erinnerung. Ohne jegliche Erfahrung übernimmt sie den Posten, weil ihr Mann stirbt. Niemand scheint sie wirklich ernstzunehmen, auch sie selbst sieht den Job mehr oder weniger als Formalie, auch wenn sie sich der Zeitung emotional stark verbunden fühlt. Doch dann steht sie plötzlich vor der Entscheidung, sich mit der kompletten US-Regierung anzulegen und den Ruin dieser Zeitung in Kauf zu nehmen oder weiterhin als Society-Lady das Spiel brav mitzuspielen, schließlich ist sie sogar eng mit McNamara befreundet. Für alle Beteiligten extrem überraschend, entscheidet sie sich für die politische Auseinandersetzung und emanzipiert sich damit auch in einer extrem männlich dominierten Welt, nicht nur, was die Politik betrifft, sondern auch die Zeitung selbst, in der nur Männer das Sagen haben. Tom Hanks spielt den Herausgeber Ben Bradlee, der einerseits Kays Unterstützung braucht, andererseits nicht freiwillig seine Entscheidungsbefugnisse abgeben will. Zum Glück sieht er in dem Film nicht so ekelhaft feist aus wie in den Dan Brown-Verfilmungen…
Fazit: Ein unbedingt sehenswerter Film mit einer großartigen Meryl Streep, besonders wichtig in Zeiten von Fake News!
P.S. Am Sonntag wird die Uhr umgestellt. Trotzdem ist elf Uhr eine gute Zeit, um im Theater der Altstadt in Stuttgart lecker zu frühstücken, wenn Susanne Heydenreich und Elisabeth Kabatek über Bücher plaudern. Keine Reservierung erforderlich, aber erfahrungsgemäß füllen sich die Plätze früh!
zu „3 Billboards“: Bemerkenswert finde ich, dass außer Frances McDormand und ihrer Freundin aus dem Laden alle Frauen „Barbie-Tussies“ waren. Die Neben-Figuren-Männer wurden wesentlich sorgfältiger und interessanter gezeichnet.
Außerdem finde ich dieses Helden-Selbstmord Klischee, das in USamerikanischen Filmen immer wieder auftaucht, schlimm.
Heldenhaft und mutig wäre für mich ein Ober-Sheriff, der es zuließe, Kontrolle abzugeben, schwach zu sein und sich pflegen zu lassen.
Viele Grüße Annette