Die Lämmer blöken, und BoJo hat Corona

Es gibt englische Wörter, die aus dem Deutschen entlehnt sind. Zum Beispiel weltschmerz, wanderlust, angst oder auch schadenfreude (interessant, oder? Was sagt das über die Deutschen und die Briten aus?).

Einer gewissen schadenfreude haben sich viele Briten nicht erwehren können, als bekannt wurde, dass sich ihr Regierungschef (und seine halbe Mannschaft, einschließlich Gesundheitschef Matt Hancock) mit dem Corona-Virus infiziert hat. Böse Bilder machten die Runde, auf denen Boris Johnson noch wenige Tage vor dem Ausbruch seiner Krankheit in kuscheliger Nähe zu seinen Kollegen Regierungserklärungen abgibt, während er social distancing predigt.

Ansonsten hat die Regierung eine bemerkenswerte Kehrtwende vollzogen. Nach dem ursprünglichen laissez-faire verkündete Johnson mit ernstem Gesicht, alle Briten hätten sich ab sofort an strenge Regeln zu halten, um ihre Mitmenschen zu retten und das NHS, das Gesundheitssystem, vor dem Kollabieren zu bewahren. Diese Regeln werden nun permanent eingeblendet, zum Beispiel beim Surfen im Internet. Die Regeln lauten, man darf nur einmal am Tag vor die Tür, um sportlichen Aktivitäten nachzugehen, nur die allernötigsten Einkäufe machen und nur zur Arbeit fahren, wenn WFH (working from home) nicht möglich ist. Während in Deutschland ein Mindestabstand von 1,50 Metern gilt, sind es in Großbritannien 2 Meter. Da aber viele Briten gar nicht so genau wissen, wieviel das ist, weil das metrische System von vielen nicht so wirklich genutzt wird (mein Mann hat mich letzte Woche gefragt, ob ich eigentlich größer als 2 Meter bin – Nein, bin ich nicht! Gut, dass wir darüber gesprochen haben…), zirkeln sie jetzt mit ungefähr fünf Metern Abstand umeinander herum und winken sich höflich aus der Ferne zu. Na ja, besser als vorher. Während in Deutschland also alles ein bisschen langsamer ging, wurden hier die Maßnahmen innerhalb von vier Tagen von Null auf Hundert hochgedreht. Nur noch Lebensmittelgeschäfte dürfen öffnen, alles Andere hat zu, und überall wird gepredigt, dass man gefälligst daheim bleiben soll. Nachdem die Regierung also wochenlang tatenlos war, übt sie jetzt einen gigantischen moralischen Druck auf die Bevölkerung aus, nach dem Motto, nicht wir, sondern ihr seid selber Schuld, wenn das Gesundheitssystem kollabiert.

Ich beneide die StuttgarterInnen, die Blumen kaufen und auf den Wochenmarkt gehen dürfen! Das ist doch ein Stück Leben. Hier gibt es keine Wochenmärkte, alle Gärtnereien und Baumärkte sind zu, und gestern hat die Branche beklagt, dass sie alle Frühjahrsblumen wegwerfen müssen und schreckliche Verluste erleiden. Warum die Leute in diesen deprimierenden Zeiten keine Blumen pflanzen dürfen, ist genauso unverständlich wie die Tatsache, dass die Polizei am Wochenende Ausflügler mit Drohnen verfolgt und Filme davon veröffentlicht hat. Man soll nämlich mit dem Auto keine privaten Fahrten machen und nur in Wohnortnähe spazieren gehen. Auch das gehört zu den verschlungenen Wegen in BoJos Gehirn, weil man es nämlich rein juristisch gar nicht verbieten kann, wie heute bekanntwurde. Wir waren also nicht so illegal wie gedacht letztes Wochenende, als wir zum Wandern in ein abgelegenes walisisches Tal mit einem Dorf mit einem unaussprechlichen Namen gefahren sind, weil wir uns gedacht haben, dass wir da weniger Leuten begegnen. Zahl der Menschen, die wir getroffen haben: NULL. Mehr social distancing geht nicht, oder?

Wie nicht anders zu erwarten, sind die Fallzahlen sprunghaft angestiegen, auf knapp 30.000 Fälle. Man spricht jetzt schon davon, dass der lockdown 6 Monate andauern könnte! Die Regierung ist jetzt auch auf die fabelhafte Idee gekommen, mehr zu testen, so wie Deutschland es macht, damit nicht so viele Angestellte im Gesundheitswesen ausfallen, die mit unklaren Symptomen zu Hause sitzen. Zu Hause sitzen auf jeden Fall alle unsere Nachbarn. Deshalb sitzen auch alle Hunde aller unserer Nachbarn zu Hause. Und sie haben ALLE Hunde, und die bellen ziemlich viel, und werden dann zur Ruhe ermahnt: Schusch! Out! Bad boy! So habe ich jetzt hilfreiche neue Informationen: Der Hund der linken Nachbarin heißt Wellington, geradeaus (Welpe, wächst rasant) Milo und der Hund rechts Peaches.

Die vielen Nachrichten aus der Heimat, die mich zur Zeit erreichen, sind zum Teil doch recht kurios. Meine Freundin J. aus E. zum Beispiel hat mit ihrer Familie am Sonntag Weihnachten gefeiert, mit Gutsle backen und allem drum und dran. Hintergrund ist der, dass sie an Ostern zu Freunden nach Japan fliegen wollten, was natürlich C. zum Opfer gefallen ist. Der fünfjährige Sohn war so traurig, dass er sich etwas wünschen durfte, und er hat sich für – Weihnachten feiern entschieden…

In diesem Sinne wünsche ich allen Gesundheit und kreative Wege in schwierigen Zeiten! Ich grüße meine Freundin Babett, die extra zur Buchpremiere anreisen wollte und tapfer bei ihrem Chef in der Artzpraxis Patienten betreut, trotz Corona! Und nicht vergessen, auch wenn die Buchpremiere ausgefallen ist, Chaos in Cornwall ist jetzt ÜBERALL lieferbar, auch wenn es vielleicht ein bisschen länger dauert als sonst. Ich hab zwar immer noch keins, aber das Buch hat es sogar nach Hallig Hooge geschafft! Ich freue mich über Rückmeldungen, und bald lobe ich einen Backwettbewerb aus. Es gibt nämlich hinten im Buch ein ganz großartiges Rezept für englische Scones von meiner Schwester. Die wollte für die Buchpräsentation auch einen Buchen machen. Der Buchen, also ein gebackenes Buchcover, ist ihre Erfindung, und sie hatte dafür schon 1kg Butter, 12 Tafeln Bitterschokolade und 16 Eier gehamstert. Und so hätte der Buchen ausgesehen, mit den Liegestühlen drauf! Toll, oder?

UND GANZ ZUM SCHLUSS noch ein paar Bilder von den Lämmern, die hier zu Tausenden geboren werden!!

6 Kommentare

  1. Corona ist überall ein riesiges Problem und leider scheint jedes Land etwas anders damit umzugehen. Besser und beruhigender wäre sicher, wenn es eine definitive Antwort auf Corona gäbe. Die scheint es jedoch auf absehbare Zeit nicht zu geben.
    Ablenkung bietet zumindest Ihr neues Buch, das ich übrigens innerhalb von drei Tagen erhalten habe (über Buchhandlung Müller in Degerloch).
    Beste Grüße nach England und bleiben Sie gesund.
    S. Schanz-Cartledge

  2. Hallo Elisabeth, oder soll ich jetzt lieber Lizzy sagen,

    mit Begeisterung lese ich immer Ihre Beiträge.
    Ich war sehr überrascht, als ich von Ihrem britischen Ehemann gelesen habe. Seit wann sind Sie denn verheiratet?

    Darf man noch nachträglich gratulieren?

    Ich hoffe aber schon, dass Sie uns im Ländle erhalten bleiben und wünsche Ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit.

    Liebe Grüße

    Eva Germann

  3. Vielen Dank für die süßen Lämmerbilder! Wales ist wirklich wunderschön! Meine Landlady Anona stammt aus Wales, ich war nach meinem Abi in Torquay als Au pair. Über Silvester sind wir damals nach Wales gefahren, schön ruhig.
    In meinem Stadtteil in Stuttgart bekommt man zur Zeit keine Trockenhefe. Total verrückt, anscheinend wollen viele ihr Brot selber backen. Dabei freut sich jeder Bäcker zur Zeit ganz besonders über jeden Kunden.
    Ihr neues Buch habe ich jetzt auch erhalten, ich freue mich sehr darauf es zu lesen.

  4. Wir wollten im Mai nach England fliegen und unsere alten Freunde besuchen, das mußten wir jetzt leider absagen. Dafür haben wir uns jetzt als Osterlektüre ‚Chaos in Cornwall‘ bestellt. Wir freuen uns schon sehr darauf! Hoffentlich wird die Lage bald besser und Sie können wieder zurück in die Heimat!

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